Na ihr Sünder?! Am Tag des Herrn hat es mich schon wieder aus Kopenhagen rausgezogen.
Stadtflucht in ein kleineres Städtchen, nämlich Roskilde.
Mit dem Rad an den Bahnhof, mit dem Zug ins 50.000 Einwohner Städtchen.
Erste Station in Roskilde hieß Wikingerschiffsmuseum!
Als eingefleischter "Vikings"-Fan (Netflix) wollte ich mich also auf die Spuren von Ragnar Lodbrok,
dem Wikinger-König, begeben.
Roskilde liegt direkt am Roskilde Fjord und nahm eine besondere Rolle in der Wikinger-Ära ein.
Die Zeit der Wikinger ging ungefähr vom 8. Jahrhundert bis Ende des 11. Jahrhunderts.
In dieser Zeit war Roskilde zeitweise die Hauptstadt Dänemarks und wichtiger Knotenpunkt für Handel,
da die Stadt eben gut über den Seeweg zu erreichen war.
Darum muss so eine wichtige Stadt natürlich auch entsprechend geschützt werden.
Der Roskilder Fjord ist ein äußerst seichtes Gewässer, das nur auf 3 Wegen befahren werden kann.
Diese 3 befahrbaren Wasserstraßen wurden entsprechend beschützt, unter anderem von Wikinger-Schiffen!
5 dieser Schiffe (ungefähr aus dem Jahr 1000 n.Chr.) sind heute in Bruchteilen im Wikingermuseum ausgestellt.
Das muss man sich mal vorstellen, aus dem Jahr 1000. Die Schiffüberbleibsel sind 1000 Jahre alt!
Im Museum habe ich mich zu einer geführten Tour gemogelt - ohne extra zu bezahlen.
Auf der Tour, die sehr gut geführt wurde, konnte ich so Einiges lernen.
Zuallererst wurde mit Vorurteilen über Wikinger aufgeräumt:
Lange, rote, buschige Bärte; "problematische" Hygiene, Trunk -und Raufbolde, Krieger und Seefahrer, Helme mit Hörnern, ...
Alles (leider) gar nicht wahr!!!
Ganz im Gegenteil. Wikinger galten wohl als sehr hygienebewusste, eitle Zeitgenossen, nahmen sogar wöchentlich Bäder und stutzten ihre Bärte (der Tour-Guide nahm das Wort metrosexuell in den Mund). Außerdem waren die meisten Wikinger ihr ganzes Leben lang tüchtige Bauern, allerhöchstens Fischer und nur in Kriegszeiten auf hoher See.
Auch wurden niemals Helme mit Hörnern in der Wikingerzeit gefunden.
Diese Art Helm wurde stattdessen von Richard Wagner "erfunden".
Woher kommt dann unser Bild von den rauen, brutalen Seekriegern?
Nun ja zum Einen bestimmt durch Serien wie "Vikings".
Vielmehr liegt es aber an der Wortherkunft. "Wikinger" bedeutete früher Seeräuber und wurde als Begriff für die ersten Piraten verwendet. Das Wort hat seine Bedeutung aber über die Jahrhunderte geändert und wird nun einfach als ethnischer Begriff für die Menschen aus dem Wikingerzeitalter verwendet.
Tja diese Infos haben mein Wikinger-Weltbild etwas zerschüttert, aber naja...
Dann gingen wir zu jedem der 5 Schiffe und bekamen einige Erläuterungen an die Hand.
Zunächst einmal stecken in so einem - auf den ersten Anblick - simplen Schiff bis zu 30.000 Arbeitsstunden!
Und die Wikinger waren keinesfalls Holzköpfe. Die Schiffsarchitektur war für Sinn und Witterung bestens angepasst.
Wikingerschiffe lassen sich grob in zwei Klassen einteilen: Handel & Transport, sowie Krieg & Expedition.
Zuerst schauten wir uns zwei Schiffe an, die als Handels -und Transportschiffe genutzt wurden.
Was ist hier charakteristisch?
Die Schiffe waren breit und tief gebaut, um so viel Ladung und Güter wie möglich transportieren zu können.
Gleichzeitig waren sie so konstruiert, das es nur eine kleine Crew braucht, um das Schiff zu manövrieren.
Viel Fracht, wenig Menschen - einleuchtend!
Dann gab es noch zwei Kriegsschiffe - auf was muss man hier achten?
Die Schiffe waren lang, schmal und flach gebaut.
Zweck dieser Konstruktion war es viele Männer möglichst schnell bewegen zu können.
Durch die flache Bauart war es denn Wikingern möglich auch im sehr seichten Gewässer (zB an Küsten) bis an Land zu fahren.
Die Wikinger waren für solche schnellen, überfallartigen Angriffe europaweit gefürchtet.
Proviant nahmen solche Kriegsschiffe kaum mit.
Durch die enge Bauart (stromlinienförmig) konnten hohe Geschwindigkeiten erzielt werden.
Die Wikinger hofften darauf, schnell am Ziel anzukommen und dort zu plündern.
Eines der beiden sog. "Langschiffe" war knappe 30 Meter lang und bis vor kurzem das längste bekannte Wikingerschiff.
Bis zu 80 Mann konnten somit befördert werden und auf Raubüberfälle gehen.
Das letzte ausgestellte Schiff war eine Art Expeditionsschiff.
Expeditionsschiffe waren eine Art Mischmasch aus beiden Schiffstypen.
Für lange Überfahrten musste natürlich Proviant mitgenommen werden, gleichzeitig durfte das Schiff nicht zu schwer und breit gebaut sein, um schnell genug voranzukommen. Mit solchen Schiffen sind die Wikinger sogar bis nach Kanada (!!!) gesegelt.
Wahnsinnig diese Vorstellung, handelt es sich hierbei doch ausschließlich um schwimmendes Holz!
Wie kann es eigentlich sein, dass Holz 1000 Jahre konserviert bleiben kann?
Ich meine, ich habe ja behauptet, dass die Schiffe 1000 Jahre alt sind...
Das ist so abgelaufen:
Die Schiffe wurden vor 1000 Jahren mit Absicht versenkt, in dem sie mit Steinen überladen wurden.
Auf dem Meeresgrund müssen sich Schlammschichten über die Wracks gelegt haben, die das Holz konservierten.
Natürlich war das Holz doch aber vollgesogen mit Wasser... Wie birgt man solch ein gesunkenes Schiff?
Um die Schiffe herum wurde eine Art Stahlkreis gebaut. Dann wurde das Wasser aus diesem Kreis herausgepumpt, so dass der Boden freigelegt war. Die Schlammschicht wurde entfernt und die Schiffe künstlich bewässert.
Wäre das Holz ausgetrocknet, wären die Schiffe einfach zerfallen.
Und dann kommt Chemie ins Spiel! Polyethylenglykol (PEG) hat die Eigenschaft in Wasser flüssig zu sein, an der Luft aber "fest" zu werden. Was bringt uns das?
Die Schiffsteile wurden in Bädern mit PEG gebadet. Das PEG verdrängte das Wasser aus dem Holz und konservierte die Holzbalken dann an der Luft, in dem es fest wurde. Ziemlich raffiniert meiner Meinung nach.
Im Wikingerzeitalter kamen auch so einige Neuheiten von Europa nach Skandinavien herübergeschwappt.
Zum Einen kam das Christentum zu den Wikingern in Form von Missionaren.
Bis dato glaubten die Wikinger an die alten Götter, u.a. Odin, Thor und Freya.
Der Wikinger-"Himmel" hieß "Walhalla" und ist ein Ort, an dem Odin mit gefallenen Kriegern speist.
Die Christianisierung Skandinaviens ließ einige Wikinger vom alten Glauben abfallen, manche integrierten Gott und Jesus in das Götterbild neben Odin und Co.
Außerdem begann das Städtewachstum. Viele kleine Orte und Höfe schlossen sich zu Stadtverbänden zusammen, was den Handel aufblühen ließ. Durch den Austausch von Waren kamen neue Leute in die Wikinger-Länder und damit eben auch neue Ideen, neue Kulturen, andere Sitten.
Hauptangriffsziele der Wikinger waren die Küsten des vereinten Königreichs, insbesondere wehrlose Klöster und Kirchen, die leicht und ohne Gegenwehr zu plündern waren.
(Hierbei ist zB das Kloster Lindisfarne zu nennen, das auch in "Vikings" auftaucht - historisch korrekt)
Durch die Wikingerüberfälle dachten sich englische Herrscher neue Abwehrstrategien aus, die letztendlich zum Bau von befestigten Burgen führten, die für eine Wikinger-Crew quasi uneinnehmbar waren.
Dieser Mix aus aufblühendem Handel, Christianisierung und Bau von Burgen / besserer Verteidigung läuteten das Ende des Wikingerzeitalters ein. Die Wikinger passten sich dem Rest Europas an und es fand ein fließender Übergang ins Mittelalter statt.
So noch ein paar Abschlussworte zum Museum, weil es ansonsten viel zu lang wird...
Das Museum baut Wikingerschiffe in einer eigenen Werft nach, ABER
auf genau dieselbe Art und Weise wie es die Wikinger ihrer Zeit getan haben.
Das bedeutet mit den damals verwendeten Materialien und Werkzeugen.
Es gibt eine eigene Schmiede, die für den Bau der Schiffe Äxte und andere Werkzeuge anfertigt.
Bäume werden von Hand gefällt, jeder einzelne Holzbalken mit der Axt verarbeitet...
Das war schon sehr beeindruckend!
Mir hat der Besuch super gut gefallen.
Ich kann die geführte Tour unheimlich empfehlen, man bekommt über die Schiffe doch viel mehr mit als wenn man sich alleine die Infotafeln durchliest. Leider leider leider war ich nur zur falschen Zeit im Museum.
In den Sommermonaten (bis Ende September verdammter Kack) bieten sie auch Fahrten auf dem Roskilder Fjord in echten, nachgebauten Wikingerschiffen an :( Das hätte ich so gerne mitgemacht, aber man kann nicht alles haben.
Muss ich eben irgendwann nochmal zurückkommen!
So das wird ein langer Bericht heute, aber ich glaube den zweiten Teil beschreibe ich nicht so ausführlich...
(War heute ein bisschen im Wikinger-Modus!)
Denn dann ging es in den Dom zu Roskilde!
Ungefähr 10 Minuten vom Museum / Fjord entfernt.
Der Dom überstrahlt eigentlich die ganze Stadt - kommt ihm ja auch eine unheimliche Bedeutung zugute.
Der Koloss aus rotem Backstein beherbergt nämlich nicht nur weltlichen Prunk,
sondern auch die letzten Überreste der dänischen Könige und Königinnen!
So liegen hier also viele Frederiks und Christians Seite an Seite in prunkvollen Sarkophagen neben ihren Perlen.
Ich packe Euch einige Impressionen der Särge in die Gallerie!
Natürlich besitzt ein solch prächtiger Dom auch eine imposante Orgel, einen schönen Altar, fein verziertes Chor-Gestühl, etc.
Was fand ich noch spannend?
Es gibt eine sog. "Königspforte". Eine goldene Tür, durch die ausschließlich Könige und Königinnen (also nur Margrethe II) EINtreten dürfen. Hochzeitspaare zB dürfen durch diese Tür HINAUStreten, aber EINtreten dürfen nur die Könige!
In einer weiteren Ruhestätte gab es auch die sog. "Königssäule".
Auf der Säule befinden sich etliche Striche, die die Körpergröße der Könige zeigen, die die Ruhestätte besucht haben.
Selbstverständlich gibt es auch wieder eine Geschichte über meinen Lieblingskönig Christian IV ("C4").
Der Gute liegt hier nämlich auch in einem Sarg, hat sich aber eine eigene Kapelle bauen lassen.
Eine Statue von ihm steht in einer Linie mit seinem Sarg und einem Jesus-Bild.
Hab durch die Hosenträger seiner Statue ein Bild gemacht, das dies ganz schön zeigt wie ich finde!
(Professioneller Fotograf und so, für Insta und so, Likes incoming)
Außerdem hat C4 einen goldenen Balkon in das Kirchenschiff bauen lassen, der ihn über dem gemeinen Volk, aber auch über den Geistlichen dem Gottesdienst beiwohnen ließ. Achja der C4, der war schon ne Kanone!
Mich wundert nur, warum die ganzen hohen Tiere Dänemarks im Dom von Roskilde beerdigt werden.
Ich meine das Städtchen ist ansonsten einfach nur ein Städtchen... Das muss ich mal in Erfahrung bringen!
Auf meinem Rückweg zum Bahnhof wurde ich dann noch von 3 netten Mädels aufgehalten.
Zwei von ihnen waren Schwestern der "Church of Jesus Christ" und wollten mich missionieren.
Nee, war wirklich interessant mit den drei über Gott und die Welt zu erzählen.
Zwei von ihnen kommen aus den USA und sprechen fließend dänisch - Respekt an dieser Stelle.
Die dritte im Bunde kommt aus Bolivien und ist selbst Mormonin.
Schon krass, was für Schicksale in Roskilde einfach so spontan aufeinandertreffen.
Das wäre mir in Steinborn bestimmt auch alles passiert...
Empfohlen haben sie mir jedenfalls das Buch der Mormonen - gucke ich vielleicht interessehalber wirklich mal rein!
Sooooo! Hui das war gefühlt der längste Bericht.
Aber war ein schöner Wochenend-Ausklang!
Nicht nur Kopenhagen, sondern auch die umliegenden Städtchen haben also Einiges zu bieten!
Mal schauen, was es die nächsten Wochen zu entdecken gibt.
Hoffe es geht Euch allen gut! Ich denke an Euch.
In diesem Sinne:
Skål!
Euer Kochi
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