Stephan und die kleine Meerjungfrau

Die erste Nacht in meiner neuen Residenz war sehr angenehm! Na gut, ich war ja auch völlig KO und von allen Eindrücken um mich herum total überfordert... Da schläft es sich ganz gut. Jedenfalls ist die Matratze weich und Kissen sowie Decke flauschig. Nur an die nächtlichen Straßengeräusche muss ich mich noch gewöhnen - genauso wie an die knarrenden Holzbretter.

Mit neuer Energie habe ich dann auch das erste Mal in meinem Riesen-Bad geduscht, ging besser als erwartet!

Nur für Klaustrophobiker wäre das wirklich goar nix. Gestärkt von dänischer Erdbeermarmelade und einem Fruit King (die dänische Variante des Fruchtzwergs - ja ich will die 1,80 m noch knacken) lief ich dann los in Richtung Frederiksberg, eine Kommune in Kopenhagen, in der sich auch meine künftige Arbeitsstätte - das Copenhagen Plant Science Center - befindet.

Nach einem 45-minütigen Morgenspaziergang begrüßte mich der runde, moderne Neubau, der direkt an eher alte, hässliche Laborgebäude angrenzt. Die alten Gebäude sehen den Laboren in Heidelberg sehr ähnlich.

Aber Schönheit kommt ja bekanntlich von innen.

Da ich noch ein paar Minuten Zeit hatte, ging ich nebenan in den Landbohojskolens Have. Der "botanische Garten" beheimatet viele Pflanzen-Varianten (keine Spezies, wie ich später belehrt wurde), die in unseren Gärten anzutreffen sind. Dort habe ich versucht meine Nerven zu beruhigen, in dem ich mir viele schöne Blümchen angeguckt und abfotografiert habe.

Dann näherte sich mein 13 Uhr Termin mit Stephan - mein Chef für die nächsten Wochen. Stephan hat sein Büro im dritten Stock des Neubaus, sehr edel mit verglasten Wänden und alles in Holzoptik.

Stephan macht einen sehr netten und hilfsbereiten Eindruck - Rheinland-Pfälzer eben! Ich war baff, als er mir erzählte, dass er in Trier geboren wurde und seinen Bachelor in an der Mainzer Uni gemacht hat. Jedenfalls haben wir dann ein bisschen über meine Ankunft gequatscht, er hat mir ein paar Tipps gegeben bzgl. Fahrradverleih und Sehenswürdigkeiten in Kopenhagen, und dann haben wir noch über die anstehenden Wochen gesprochen.

Zu meiner Verwunderung gibt es noch keinen richtigen Plan / kein richtiges Projekt, das ich verfolgen soll.

Ich soll den anderen ein bisschen über die Schultern gucken und dann das machen, was mich am meisten interessiert.

So viel Freiheiten kenne ich aus Heidelberg nicht - dort bewirbt man sich im Prinzip auf Projekte, arbeitet sich ein und verfolgt für mehrere Wochen ein genaues Ziel. Ich bin gespannt, was die nächsten Wochen auf mich zukommt und in welche Richtung meine praktische Arbeit gehen wird.

Nach dem Gespräch mit Stephan durfte ich direkt am ersten Gruppenmeeting teilnehmen, um die anderen Leutchen aus der Arbeitsgruppe kennenzulernen. 2 Chinesinnen, ein Chinese, ein Niederländer, eine Niederländerin und ein Däne. Ein buntes, kleines Grüppchen, die sich mir alle kurz vorstellten und kurz über ihr Forschungsthema philosophierten. Die machen alle einen netten Eindruck. Von Valdeko (der einzige Däne der Truppe) wurde ich dann auch prompt zu einem Spieleabend mit anderen Leuten aus der Abteilung eingeladen... Aber dazu am Ende des Berichtes mehr.

Abschließend haben wir noch ein paar chinesische Süßigkeiten gefuttert und dann ging es für mich ins Wochenende. Puh was für ein anstrengender, erster Arbeitstag!

Gestärkt von den sehr gewöhnungsbedürftigen "chinese sweets" bin ich dann Richtung Norrebro gelaufen, um den von Stephan empfohlenen Fahrradladen "Swapfiets" aufzusuchen. Leider waren alle Fahrräder ausgeliehen. Aber der Verkäufer an der Kasse hat mich darüber aufgeklärt, wie ich an ein Fahrrad komme. Swapfiets App herunterladen, registrieren, persönliche Angaben machen, Termin im Laden vereinbaren, fertig! Mittlerweile habe ich einen Termin für Sonntag (15.09) Mittag und bekomme dann mein Fahrrad für ca. 25 € / Monat. Laut Stephan ist das Fahrrad DAS Verkehrsmittel in Kopenhagen. Und auch mir ist schon aufgefallen, dass die halbe Stadt damit unterwegs ist. Generell sind die Fahrradwege hier besser ausgebaut als das Straßennetz. Da geht der grüne Daumen hoch!

Anschließend hab ich Hunger bekommen und mir einen Döner gekauft - endlich mal was Gescheites zu essen.

Beflügelt von der Kräutersauce bin ich dann noch an den Hafen von Kopenhagen marschiert. Dort habe ich lange gesessen und bei Sonnenuntergang hinaus auf die Ostsee geschaut, wo einige kleinere Schiffchen, aber auch große Kreuzfahrtschiffe lagen. Selbstverständlich habe ich dann auch noch das Wahrzeichen Kopenhagens besucht: Die kleine Meerjungfrau. Viele Busse vollgepackt mit Rentnern halten dort im Minutentakt - Jeder will die kleine Schönheit auf ihrem Felsen bewundern und ein Erinnerungsfoto schießen. Genau dasselbe habe ich natürlich auch gemacht ;)

Dann ging es für mich zurück ins Zentrum an den Hauptbahnhof und von dort mit dem Zug an die Orestad Station. Dort in der Nähe wohnt Valdeko, bei dem der Spieleabend stattfand. Zuerst spielten wir in furchtbar kompliziertes und dadurch auch langweiliges Spiel. Im Anschluss wurde es aber besser: Bei "Secret Hitler" wird in "Werwolf"-Manier jedem Spieler eine Persönlichkeit und eine Parteiangehörigkeit zugewiesen. Die Spieler werden unterteilt in Liberale und Faschisten. Ein Spieler der Gruppe ist ebenfalls ein Faschist, aber ein gesonderter, nämlich Adi himself.

Kurz zum Spiel:

Die Liberalen sind in der Überzahl, kennen aber die geheimen Rollen ihrer Mitspieler nicht. Die Faschisten kennen die Identität von Secret Hitler, aber Secret Hitler kennt die Identität der Faschisten nicht und muss diese im Spielverlauf versuchen zu identifizieren. Bei Secret Hitler geht es für die zwei gegeneinander spielenden Teams darum, ihre Gesinnung durchzusetzen und dazu geschickt mit Lügen und Täuschungsmanövern zu arbeiten. Im Prinzip muss man also gut lügen können und ein gutes Pokerface haben - speziell als Faschist oder Secret Hitler - um nicht von den Liberalen enttarnt zu werden. Mehr schreibe ich jetzt hier mal nicht dazu - ansonsten sitze ich noch ewig hier. Learning by doing! Werde das Spiel auf jeden Fall mit nach Deutschland bringen.

 

Abschließend spielten wir noch "Drawful" - das beste Spiel des Abends. Das Spiel wird mit Smartphones, Internet und Fernseher gespielt (gelobt sei die Technik des 21. Jahrhunderts).

Kurz zum Spiel:

Jeder Spieler bekommt einen individuellen Titel auf sein Smartphone geschickt, wie z.B. "Unsuccessful business".

Nun hat jeder Spieler 30 Sekunden Zeit, auf seinem Smartphone-Display mit seinen Wurstfingern eine Bild zu zeichnen, das dem Titel gerecht wird. Ich habe bei "Unsuccessful business" ein verzweifeltes Strichmännchen auf Toilette gezeichnet ;)

Dann geht das Spiel am TV weiter. Per Zufallsgenerator werden nun die Bilder aller Spieler der Reihe nach am Bildschirm gezeigt.

Bei jeder Zeichnung müssen nun die anderen Spieler erkennen, was hier dargestellt sein soll. Dann haben die Spieler wieder 30 Sekunden Zeit, einen Titel für das Gesehene auf ihrem Smartphone einzutippen. Der Titel sollte möglichst wahr, aber auch originell sein. Nach Ablauf der 30 Sekunden werden alle Titelvorschläge für die Zeichnung gesammelt PLUS dem wahren Titel. Nun darf jeder Spieler sich für einen Titel entscheiden. Natürlich gilt es hierbei den wahren Titel zu erraten. Wer den wahren Titel errät, bekommt die meisten Punkte. Spieler, die Stimmen für ihren ausgedachten Titel erhalten, bekommen ebenfalls Punkte. Wer am Ende die meisten Punkte gesammelt hat, gewnnint!

 

Hoffentlich versteht ihr die Grundidee der Spiele - ist ein bisschen umständlich zu beschreiben! Jedenfalls war es ein schöner Abend. Um 1 Uhr habe ich mich dann mit der Metro Linie 1 auf den Heimweg gemacht. Bin an der Norrebro Station in einen völlig mit Party-People überfüllten Bus eingestiegen in Richtung Nordvest. Nach einem 20-minütigen Missverständnis mit Google Maps bin ich dann todmüde in mein Bett gefallen. Kopenhagen - du schaffst mich!

 

Wünsch Euch was, Küssje aufs Nüssje!

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