Arbeit nervt?!

So! Ich melde mich auch mal wieder nach meiner ersten Woche an der Uni in der neuen Arbeitsgruppe.

Und was soll ich sagen? Nach dem ersten schönen Wochenende in Kopenhagen, Erkundungstouren und vielen neuen Eindrücken kam diese Woche dann erstmal viiieeel Ernüchterung.

Montag 10 Uhr bin ich zur "Safety tour" angetreten. Den Weg zur "Arbeit" mit dem Fahrrad habe ich gut gefunden.

Die sehr nette und taff wirkende technische Koordinatorin Tilla hat mich dann über Sicherheit hier am Arbeitsplatz unterrichtet.

Nach der Sicherheitseinweisung brachte mich Tilla dann in mein Büro, das ich mit Xing-Xing (eine Chinesin) und einer Iranerin teile. Die beiden arbeiten in einer anderen Arbeitsgruppe, haben mich aber im Büro willkommen geheißen und direkt mit Träubchen gefüttert! Tilla stellte mich vor einem nicht-angeschlossenen, nicht-mit-dem-Intranet-verbundenen Computer ab und verabschiedete sich. So hab ich mich dann also alleine am Computer anschließen und weiteren IT-Aufgaben versucht, bin aber als alter Tech-Nick und Informatik-Fuchs kläglich gescheitert. Die Damen im Büro waren ähnlich planlos...

Also habe ich Valdeko mit meinem Charme rekrutiert, ist er doch der Bioinformatiker im Haus.

Mit Valdekos Hilfe (übrigens ist er aus Estland und doch kein Däne; Ja, es gibt wirklich keinen einzigen Dänen in der Gruppe) und dem IT Support Team im Gebäude haben wir dann herausgefunden, dass mein vorgesehener Computer nicht mehr lizensiert ist und vom Uni-System unterstützt wird. Geil! Immerhin konnten wir die Mühle dennoch an den Strom anschließen und mit dem Internet verbinden. Nach diesen ersten Hürden habe ich dann eine Schlüsselkarte beantragt, um überall im Haus sämtliche Türen zu öffnen. Dafür hatten Tilla und ich extra noch ein hässliches Foto von mir geschossen.

Dann war Mittagessen angesagt und Gott sei Dank gibt es eine Mensa. Die Mensa bietet jeden Tag zwei Hauptspeisen an, eine "normale" und eine vegetarische. Dazu gibt es noch ein tolles Salatbuffet. Ich kann mich wirklich nicht beklagen, das Essen schmeckt sehr gut! Nach Beladen des Tellers wird dieser gewogen und dementsprechend abkassiert. Im Schnitt habe ich diese Woche etwa 4 € pro Tag gezahlt. Das ist ganz in Ordnung für dänische Verhältnisse!

Gegessen wird immer mit versammelter Mannschaft und so eine Mittagspause kann dann auch gerne mal 1 - 1:30 h andauern.

Der Montagnachmittag fing dann an langweilig zu werden. Ich wurde an meinem ersten Tag nicht von meinem Chef ins Büro zitiert, um ein mögliches Projekt zu besprechen, ich bekam keinen Betreuer zugewiesen, ich bekam noch nicht einmal was zum Einarbeiten. Das kenne ich aus meinen letzten Praktika ehrlich gesagt nicht. Ich habe mich ein bisschen im Stich gelassen gefühlt.

Also habe ich mir selbst etwas zum Lesen gesucht für den restlichen Tag. Um 17:15 Uhr kam Anko zu mir ins Büro und fragte mich, warum ich noch hier sei. Ich wusste nicht, was er mir mit dieser Frage ausdrücken wollte.

Er klärte mich dann darüber auf, dass hier normalerweise von etwa 9 - 17 Uhr gearbeitet wird. Auch das kenne ich von meinen vergangenen Laborerfahrungen nicht, aber hab' ich ehrlich gesagt nichts dagegen! Anko philoophierte dann über die Bedeutung der dänischen "Work-Life-Balance", ein Prinzip, das ich sehr gut finde und direkt verinnerlicht habe.

Der Dienstag sah dann nicht anders aus... Ich suchte mir wieder Etwas zu lesen und hoffte darauf, dass irgendjemand zu mir käme und mich an die Hand nimmt und ins Labor schleift. Da hätte ich lange warten können.

Am Nachmittag bin ich dann schon etwas frustriert zum Chef, um ihn zu fragen, wie es denn jetzt weitergeht.

Immerhin redeten wir gut eine Stunde miteinander und versuchten mögliche Projekte zu skizieren.

Ehrlich gesagt finde ich das trotzdem ziemlich schwach und unfair, habe ich mich doch auf ein ausgeschriebenes Projekt beworben. Außerdem bin ich nicht einfach so aus dem Nichts dort aufgetaucht - das ganze Erasmus-Vorhaben hatte ja schon mehrere Monate Planung im Voraus. Da hätte sich Stephan ruhig schon eher mal Gedanken darüber machen können, was ich hier so an Arbeit erledigen kann. Immerhin sind war dann auf 2-3 mögliche Projekte bekommen und auch auf einen möglichen Betreuer: Bin, ein chinesischer PhD-Student. Der war allerdings an diesem Dienstag krank gemeldet und würde von seinem Glück erst Mittwoch erfahren.

Mittwoch lernte ich dann Bin kennen. Ebenfalls ein sehr netter, und (typisch asiatisch) höflicher Mensch. Stephan, Bin und ich trafen uns dann nochmals, um die Projekte zu besprechen. Im Anschluss gab mir Bin dann einiges an Literatur zur Hand, die ich den Rest des Tages studierte. Ergo: Dritter Tag und schon wieder kein Labor gesehen. Frust!

Am Donnerstag zeigte mir Bin dann einige Computer-Software und Tools, die ich für den Start des "Hauptprojektes" brauchen würde. Das war schon interessant und neu für mich, aber ihr könnt es euch sicherlich denken... Wieder nur am Computer gesessen und kein Geruch von E.coli Bakterienkulturen oder Agarplatten in der Nase.

Donnerstag Nachmittag wurde es aber schön: Auf dem Programm standen nämlich Bowling und anschließend "chinese hot pot"!

Die AG unternimmt gerne mal etwas zusammen während der Arbeitszeit, was ich so nicht kenne, aber natürlich super finde.

Beim Bowlen habe ich meine Kollegen natürlich direkt abgezogen (siehe Bild in Gallerie). Meine ersten beiden Würfe - 2 Strikes.

Da war klar, wo der Hase lang läuft. Im zweiten Spiel sind wir dann kreativ geworden und haben jeden einzelnen Wurf an eine kleine Aufgabe geknüpft: Mit der schwachen Hand werfen, beidhändig werfen, rückwärts werfen, mit geschlossenen Augen werfen, mit Bowl-Hilfe für kleine Kinder (einem Dinosaurier) werfen, eine Drehung machen und werfen, sowie mit Valdekos Brille auf der Nase werfen... Das war im Prinzip wie völlig besoffen werfen, weil man Alles nur verschwommen sieht.

Valdeko ist gefühlt blinder als ein Maulwurf. Die zwei Stunden Bowlen haben richtig Spaß gemacht. 

Anschließend sind wir mit versammelter Mannschaft in einen nahegelegenen Supermarkt eingefallen und haben alle nötigen Zutaten für den chinesischen Eintopf gekauft - vegetarisch selbstverständlich.

Dann wurde alles geschnibbelt, gewürzt und in den Eintopf geworfen. War gewöhnungsbedürftig, aber lecker!

Dazu gab es ein leckeres Bier (Marke: Tuborg) - wird in Dänemark bevorzugt aus der Dose getrunken.

Anschließend alles aufgeräumt und gegen 20 Uhr ab nach Hause. So macht Arbeiten Spaß.

Am Freitag war es dann endlich soweit. Bin und ich sind ins Labor!

Die Arbeit hatte zwar nichts mit einem der angedachten Projekte zu tun, das war mir aber Latte Macchiato. Mir geht es bei dem ganzen Praktikum ja nicht um Ergebnisse oder Ziele, sondern ich möchte einfach die Methoden der Pflanzenbiotechnologie ein bisschen kennenlernen. Und so hat mir Bin gezeigt, wie man zwei Pflanzen kreuzt. Dafür hat er mir zwei "Arabidopsis thaliana" Pflänzchen vor die Nase gestellt. Jede der Pflanzen ist gentechnisch modifiziert und besitzt eine gezielt eingesetzte Mutation im Genom. Die Pflanzen sollen gekreuzt werden, damit in der nachfolgenden Generation Tochter-Pflanzen entstehen, die beide Mutationen im Erbgut tragen. Wie geht man das an?

Man nehme eine feine Pinzette, man öffne die noch verschlossenen Knospen der Mutterpflanze, man entferne die männlichen Geschlechtsteile (Staubblätter) und lässt das weibliche Geschlechtsteil (Stempel) stehen. Dann knüpft man sich mit der Pinzette eine Blüte der Vaterpflanze ab und drückt die Staubblätter der Blüte auf den Stempel der Mutterpflanze.

So kann man also zwei Pflanzen kreuzen - und ich durfte Amor spielen. Richtig errrroddisch!

Am Montag sollten wir sehen, dass sich das Aussehen des Stempels verändert hat, denn bei erfolgreicher Befruchtung fängt die Mutterpflanze nun an Samen zu bilden, aus denen die Tochtergeneration hervorgeht. Wichtig ist beim Kreuzen von Pflanzen, dass man den richtigen Zeitpunkt der Befruchtung nicht verpasst. Wartet man zu lange, kann sich die Pflanze selbst befruchten. Das soll verhindert werden, da man ja Doppelmutanten erzeugen möchte. Ich hoffe, dass war einigermaßen verständlich erklärt.

Um halb 5 war dann Feierabend und ich bin nochmal mit dem Fahrrad nach Nyhavn gefahren. Ein tolles Fleckchen Erde!

Zur Feier des Tages habe ich mir eine belgische Waffel mit Puderzucker und Marmelade gekauft: 6 € hat mich das gekostet...

Für einen Hauch von Waffel! Aber wann kann man sich denn schonmal eine Waffel in Nyhavn gönnen? Eben...

 

Damit verabschiede ich mich und euch ins Wochenende.

Vielen Dank für die vielen Nachrichten auf WhatsApp oder hier im Gästebuch. Freue mich über den Support!

Ein Gute-Nacht-Kuss auf die Gute-Nacht-Nuss - Euer Johannes.

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